Lokales Saatgut fördert die Unabhängigkeit

Im anhaltend krisengeschüttelten Karibikstaat Haiti unterstützt HEKS ländliche Gemeinschaften im Departement Grand'Anse bei der Katastrophen­vorsorge und beim Schutz einheimischen Saatguts, damit sie ihre Unabhängigkeit von ausländischen Saatgut­produzenten bewahren können.

Der Karibikstaat Haiti befindet sich in einer tiefen Krise. Seit drei Monaten sind Schulen und Krankenhäuser geschlossen und die Wirtschaft steht weitgehend still – es ist ein «payi lòk», ein blockiertes Land, wie die Einheimischen in ihrer Landessprache Créole sagen. Die Zufahrtsstrassen in die Hauptstadt Port-au-Prince wie auch die Strassen in die Provinz sind oft mit brennenden Reifen blockiert und kriminelle Banden haben die Kontrolle über ganze Landstriche übernommen. Der plötzliche Rückgang der Kaufkraft hat die Flammen des Aufruhrs entzündet, denn 60 Prozent der HaitianerInnen müssen mit weniger als zwei Dollars pro Tag leben.

Es verwundert deshalb nicht, dass die Bevölkerung Rechenschaft für die Veruntreuung von Milliarden von Dollars fordert, die die Entwicklung des Landes hätten befördern sollen – dank dem von Venezuela initiierten «Petrocaribe»-Abkommen zum Verkauf von Benzin zu Vorzugspreisen. «Auch wenn Staatspräsident Jovenel Moses nicht der Alleinschuldige an der Misere ist, wird er für alles Übel verantwortlich gemacht. Damit werden Plünderungen, Gewalt und Zerstörung gerechtfertigt», sagt Rosny Dessroches, eine prominente haitianische Beobachterin und Förderin der Zivilgesellschaft. «Es ist typisch für Haiti, dass die amtierende Regierung gestürzt werden soll, ohne dass eine Alternative vorgeschlagen wird – ausser vielleicht eine Übergangsregierung der Opposition, die dann ohne demokratische Legitimation Neuwahlen organisiert.»

In den sehr ländlichen Regionen stellt die Benzinrationierung ein zusätzliches Problem dar.

In den sehr ländlichen Regionen stellt die Benzinrationierung ein zusätzliches Problem dar.

Wenn ein Lastwagen auf einer engen Strasse eine Panne hat, gibt es für den übrigen Verkehr kein Durchkommen mehr.

Wenn ein Lastwagen auf einer engen Strasse eine Panne hat, gibt es für den übrigen Verkehr kein Durchkommen mehr.

Auch die Stadt Jérémie litt unter dem Hurrikan Matthew im Jahr 2016.

Die Region Grand'Anse ist zwar üppig grün, aber überall ist der Holzschlag sichtbar. Mit dem Holz wird Holzkohle hergestellt.

Auch die Stadt Jérémie litt unter dem Hurrikan Matthew im Jahr 2016.

Die Region Grand'Anse ist zwar üppig grün, aber überall ist der Holzschlag sichtbar. Mit dem Holz wird Holzkohle hergestellt.

In den weiter von der Hauptstadt entfernten Regionen ist die Krise weniger spürbar. Aber der durch die Strassenblockaden bedingte Treibstoffmangel erschwert auch dort den Zugang zu den verschiedenen Gemeinden des Departements Grand'Anse. HEKS setzt sich dort seit Jahrzehnten für die Verbesserung der Lebensbedingungen ländlicher Gemeinschaften ein. Der Westen der Insel ist üppig und fruchtbar, aber die Dörfer liegen weit verstreut – ohne Wasser, Strom und Gesundheitsversorgung.

Es werden steile, mit Kieselsteinen gefüllte Hänge bewirtschaftet. Hier pflanzt ein Mann Elefantengras, um seine Ochsen damit zu füttern.

Es werden steile, mit Kieselsteinen gefüllte Hänge bewirtschaftet. Hier pflanzt ein Mann Elefantengras, um seine Ochsen damit zu füttern.

Die beiden HEKS-Mitarbeitenden Marie-Jeanne Haubois und Jean-Widal Fanor schauen sich das Saatgutbuch an und ermutigen die Gemeinde, weiterzumachen.

Die beiden HEKS-Mitarbeitenden Marie-Jeanne Haubois und Jean-Widal Fanor schauen sich das Saatgutbuch an und ermutigen die Gemeinde, weiterzumachen.

Rosette Noëlsaint steigerte ihre Erbsenproduktion dank der Ausbildung, die sie als Mitglied der Saatgutgruppe erhielt.

Rosette Noëlsaint steigerte ihre Erbsenproduktion dank der Ausbildung, die sie als Mitglied der Saatgutgruppe erhielt.

Der Hurrikan «Matthew» im Jahr 2016 hinterliess in diesem Teil der Insel eine Spur der Verwüstung, Häuser wurden abgedeckt, Bäume ausgerissen und Plantagen zerstört. «Es war sehr schwer, die landwirtschaftliche Produktion wieder aufzunehmen, weil praktisch das ganze Saatgut vernichtet wurde», erklärt Projektkoordinator Jean Widal Fanor.

HEKS hat zusammen mit seiner lokalen Partnerorganisation, der Methodistischen Kirche in Haiti, an sieben Standorten Saatgut-Produktionsgruppen (GPAS) aufgebaut. Das an die lokalen Bedingungen angepasste Saatgut wird an die Mitglieder der Produzentengruppen abgegeben, die nach der Ernte doppelt so viele Samen zurückgeben müssen. Die 52jährige Rosette Noëlsaint, ist Mitglied der «Carrefour Jacsin»-Gruppe. Sie hat eine Ausbildung in nachhaltigen Anbaumethoden erhalten: «Früher habe ich sechs Erbsenkerne pro Loch gesetzt, heute muss ich nur noch drei setzen, weil das Saatgut von besserer Qualität ist. Auf diese Weise kann ich mehr Erbsen ernten. «Mit den Gewinnen ist innerhalb der Gruppe eine Solidarität entstanden, dank der sich die Mitglieder im Notfall gegenseitig unterstützen.» Drei Mitglieder des Komitees haben je einen Schlüssel für die Gemeinschaftskasse.

Das «Comité de développement de Montagnac» seinerseits produziert, vertreibt und verkauft Gemüse-Saatgut. Die Frauen entfernen die Samen von Tomaten, Auberginen, Okra, Paprika und Spinat und benutzen das Fruchtfleisch zum Kochen oder zur Zubereitung von Saucen. Silface Lima, der Manager, ist stolz: «Wir haben es geschafft, unser Saatgut an die NGO ‹Solidarité Internationale› zu verkaufen, was eine Premiere ist! Der Verkauf von Gemüse-Saatgut ist profitabler als der Verkauf von Ölsamen, und wir sind die einzigen, die dies in der Region tun. Aber das Sortieren des Saatgutes ist sehr aufwändig.»

Die Saatgutgruppe von Montagnac tritt zusammen, um die mit der Dürre verbundene Raupenepidemie zu besprechen.

Silos zur Lagerung von Saatgut, das an Mitglieder ausgeliehen oder im Großhandel verkauft werden kann.

Louis-Jean Samuel ist stolz darauf, an einem Windschutzlehrgang teilgenommen zu haben.

Die Saatgutgruppe von Montagnac tritt zusammen, um die mit der Dürre verbundene Raupenepidemie zu besprechen.

Silos zur Lagerung von Saatgut, das an Mitglieder ausgeliehen oder im Großhandel verkauft werden kann.

Louis-Jean Samuel ist stolz darauf, an einem Windschutzlehrgang teilgenommen zu haben.

Die Gruppen haben auch gelernt, im Falle eines erneuten Hurrikans ihre Saatgutbestände in wasserdichten Silos in selbst gebauten, teilweise auch unter der Erde angelegten Unterständen zu schützen.

Dank einer eigenen Saatgut-Plattform sind die Gemeinschaften nicht mehr auf ungeeignetes, zu niedrigen Preisen aus den Vereinigten Staaten importiertes Saatgut angewiesen, und sie können so selbst marktgerechte Preise aushandeln. In Verbindung mit verbesserten Strassenverbindungen und Märkten, dem Wiederaufbau von Schulen und den Bemühungen, in den Dörfern Strukturen der Selbstverwaltung zu implementieren, haben die Gemeinschaften die Möglichkeit, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich allmählich aus der Abhängigkeit von Dritten zu befreien.

Eine unterirdisches Silo ermöglicht den Schutz des Saatguts im Falle eines Hurrikans.

Eine unterirdisches Silo ermöglicht den Schutz des Saatguts im Falle eines Hurrikans.

Die Gemeinde Montagnac ist dankbar für die Unterstützung durch die Saatgutgruppe.

Die Gemeinde Montagnac ist dankbar für die Unterstützung durch die Saatgutgruppe.

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