Myanmars Landwirtschaft kommt in Fahrt

Myanmars Landwirtschaft ist kaum mechanisiert. Das einheimische Start-up Tun Yat hat daher eine digitale Plattform geschaffen, die Bauern den Zugang zu landwirtschaftlichen Maschinen erleichtert. Es sind Kleinbauernfamilien, die am meisten profitieren. Sie können nun einen verlässlichen, qualitativ guten Service in Anspruch nehmen und müssen nicht mehr um ihre Ernten bangen.

Ein Land im Aufbruch

An den Tischen sitzen rund zehn junge Leute in gelben T-Shirts. Sie stecken ihre Smartphones und Köpfe zusammen, schauen sich gegenseitig in die Laptop-Bildschirme und tragen Zahlen in Excel-Tabellen ein. Daneben stehen vier junge Männer vor einem Bildschirm, auf dem sich kleine Traktoren in Echtzeit über die Google Maps Landschaft bewegen. So ist etwa ersichtlich, dass Fahrzeug H-07 einen laufenden Motor hat und heute schon 2.5 Kilometer zurückgelegt hat.

Die ganze Szene findet statt in einem kleinen Büro in einer Seitenstrasse in Hinthada, einem Provinznest im ländlichen Myanmar – und man gerät ins Staunen ob so viel Technologie an diesem unscheinbaren Ort, in diesem jahrelang unter einer Militärdiktatur stehenden und von der Aussenwelt abgeschnittenen Land. Die Errungenschaften und Annehmlichkeiten der Moderne waren hier, im «Land hinter dem Bambusvorhang», jahrelang ein Fremdwort. Doch seit der schrittweisen Öffnung ab 2010 holt Myanmar im Eiltempo auf, was es verpasst hat.

HEKS begann vor rund drei Jahren in Myanmar zu arbeiten und entschied sich dafür, hier gänzlich neue Wege zu gehen und innovative Interventionen und Ideen zu testen. Unter anderem die Zusammenarbeit mit verschiedenen Start-Ups, wie José Ravano, HEKS-Programmleiter in Myanmar, erklärt: «Unsere Partner hier sind nicht primär Nichtregierungsorganisationen (NGOs), sondern vornehmlich junge Unternehmen mit guten Geschäftsideen, die insbesondere der ländlichen Bevölkerung zugutekommen. Wir unterstützen diese Unternehmen unter anderem mit Darlehen. Unser Fokus liegt dabei gezielt auf sozial orientierten Start-ups in den Bereichen Technologie und Innovation.»

Junge Köpfe, innovative Ideen

Das 2018 gegründete burmesische Start-up Tun Yat, für das die gelb-gekleideten jungen Menschen im Büro in Hinthada arbeiten, ist eines der Unternehmen, in das HEKS seit zwei Jahren ein Darlehen investiert hat. Ziel von Tun Yat ist es, Myanmars Bauern und Bäuerinnen besseren Zugang zu landwirtschaftlichen Maschinen zu ermöglichen. Denn nach Jahren der Abschottung ist die burmesische Landwirtschaft kaum mechanisiert und beruht noch stark auf Handarbeit. Doch die Arbeitskräfte auf dem Land werden knapp, da immer mehr Junge in das Wirtschaftszentrum Yangon oder nach Thailand abwandern. Die Bauern haben daher zunehmend Mühe, zur Erntezeit genügend helfende Hände zu finden.

Die wenigen zur Verfügung stehenden Maschinen werden zudem vornehmlich an Bauern mit viel Land vermietet, weil das für die Maschinenbesitzer profitabler und weniger aufwändig ist. Die Kleinbauern kommen, wenn überhaupt, erst danach zum Zug. Doch wer sein Feld zu spät erntet, dem geht Ernte verloren, etwa weil der einsetzende Regen die Feldfrüchte beschädigt.

Damit Bauern und Maschinen zusammenfinden

«Es ist eine Herausforderung für die Bauern, ihren Reis und Mais zur richtigen Zeit ernten zu können», sagt Kyaw Wint Thu, einer der beiden Köpfe des Start-ups. «Wir sind daher eine Vermittlungsplattform, die Bauern, die Maschinen brauchen, mit den Anbietern von Maschinen und auch mit unserer eigenen Flotte, zu der derzeit neun Erntemaschinen und vier Traktoren gehören, zusammenbringt. Wir sind quasi ein Uber für Bauern», lacht Wint Thu.

Tun Yat hat eine digitale Plattform geschaffen, über die sich die Bauern die gewünschte Maschine samt Fahrer einfach und verlässlich zum richtigen Zeitpunkt bestellen können. Die Maschinenbesitzer hingegen müssen sich nicht mehr darum kümmern, wem sie ihre Maschine wann vermieten, ob bezahlt wurde und ob die Maschine unbeschädigt von der Ernte zurückkommt – das übernimmt jetzt alles Tun Yat.

«Es ist eine Herausforderung für die Bauern, ihren Reis und Mais zur richtigen Zeit ernten zu können. Wir sind daher eine Vermittlungsplattform, die Bauern, die Maschinen brauchen, mit den Anbietern von Maschinen und auch mit unserer eigenen Flotte zusammenbringt. Wir sind quasi ein Uber für Bauern».
Kyaw Wint Thu, Mitbegründer & COO Tun Yat.

Die Maisernte ist im Trockenen

Kleinbauer Soe Than bepflanzt im Süden Hinthadas rund zwei Hektaren mit Mais. Dieses Jahr lässt er sein Feld zum ersten Mal mit der Hilfe von Tun Yat ernten.

«Früher musste ich für die Maisernte sechs Erntehelfer finden und wir waren rund fünf Tage mit dem Ernten der Kolben beschäftigt. Danach noch einen weiteren Tag oder zwei, um die Körner vom Kolben zu trennen. In den letzten Jahren konnte ich nie sicher sein, ob ich zur Erntezeit genügend Arbeiter finden werde. Dank Tun Yat kann ich mein Feld jetzt in einem halben Tag ernten, und kriege die fertigen Maiskörner. Die Fahrer machen ihre Sache gut und vorsichtig, so dass kaum Ernte verloren geht. Und der Service ist verlässlich.»
Soe Than, Kleinbauer, Hinthada

Die Mais-Erntemaschine gehört einer thailändischen Firma, die ihre Maschinen auf dem burmesischen Markt absetzen möchte. Tun Yat erleichtert der Firma den Markteinstieg. Im Moment ist die Maschine noch geleast und wird von Tun Yat Mitarbeitenden gefahren, aber Wint Thu kann sich vorstellen, die Maschine zu kaufen, wenn sie sich bewährt. «Wir achten auf gute Qualität und machen Checks, bevor wir mit einem Anbieter zusammenarbeiten», erklärt er.

Ökonomischer Profit und soziale Wirkung

Bereits 12’000 Bauern und Bäuerinnen nutzen die Dienstleistungen von Tun Yat. Natürlich nicht gratis: Tun Yat erhält auf jede Vermittlung eine Provision. Auf die Frage, was ihm denn wichtiger sei, der ökonomische Profit oder die soziale Wirkung seines Unternehmens, hat Wint Thu denn auch eine klare Antwort: «Wir sind kein soziales Unternehmen, wir denken ökonomisch. Aber der Vorteil ist, dass unsere Arbeit eine unheimlich grosse soziale Wirkung hat. Vor allem Kleinbauern profitieren von unserem Service. Dank unserer Dienstleistung haben sie eine Ersparnis beziehungsweise ein zusätzliches Einkommen von etwa 120 USD pro Jahr – für einen burmesischen Bauern bedeutet das, das er am Ende des Jahres rund einen Monatslohn mehr in der Tasche hat.»

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