HüterInnen von Bio-Diversität und gesunden Ökosystemen

Indigene und lokale Gemeinschaften wie die Borana in Äthiopien oder die Blumenpflücker-Gemeinschaften des brasilianischen Cerrado leisten mit ihrer nachhaltigen Lebensweise und ihrem traditionellen Wissen einen eminent wichtigen Beitrag zum Erhalt der weltweiten Artenvielfalt und gesunder Ökosysteme, beides Faktoren, welche für die Bewältigung der Klima- und Umweltkrise zentral sind.

Die Klima- und Umweltkrise und ihre Folgen beschäftigen die Menschen in der Schweiz derzeit stark. Seit Anfang 2019 gehen bei uns und weltweit Tausende Jugendliche der «Fridays for Future »-Bewegung auf die Strasse. Sie fordern laut und deutlich, dass die Politik die Klima- und Umweltkrise endlich anerkennt, griffige Lösungen präsentiert und diese schnell umsetzt, denn viel Zeit bleibt nicht. Und sie verlangen Gerechtigkeit – Klimagerechtigkeit – für sich, denn die Jungen werden stärker unter den Folgen des Klimawandels leiden als jene Generationen, die den Klimawandel verursacht haben. Gerechtigkeit aber vor allem auch für die Ärmsten in Entwicklungsländern, die selbst wenig zur Klima- und Umweltkrise beigetragen haben, deren Auswirkungen aber schon heute am stärksten spüren. Die Zunahme von extremen Wetterereignissen wie Stürme, Überschwemmungen, Dürren, die fortschreitende Verwüstung und Versalzung der Böden, der steigende Meeresspiegel und die nicht enden wollende Gier nach Land, um die industrielle Nahrungsmittelproduktion oder den Bergbau voranzutreiben, bedrohen die Lebensgrundlagen der ärmsten und am stärksten marginalisierten Menschen auf unserem Planeten.


Mehr als nur Opfer

Die Menschen in Entwicklungsländern einfach als Opfer der Klima- und Umweltkrise zu betrachten, greift indessen zu kurz. Sie sahen sich schon immer mit schwierigen Umweltbedingungen und externen Bedrohungen konfrontiert. Lokale und indigene Gemeinschaften mussten sich zum Beispiel immer wieder anpassen und sich wechselnden Herausforderungen stellen. Diese Erfahrung macht HEKS auch in den Projektländern: Lokale und indigene Gemeinschaften, die ihre Territorien kollektiv bewirtschaften, haben ihre Lebensweise über Jahrhunderte an die Umweltbedingungen ihres Lebensraums angepasst. Sie nutzen die natürlichen Ressourcen so, dass sie sich immer wieder regenerieren und auch künftigen Generationen zur Verfügung stehen.


Für das Viehzüchtervolk der Borana beispielsweise, welches im semiariden Tiefland von Äthiopien lebt, gehörten längere Trockenperioden und Dürren schon immer zum Lebensalltag. Über die Jahrhunderte hat sich dort ein gemeinschaftliches Produktionssystem entwickelt, welches die knappen Weide- und Wasserressourcen in der Region nachhaltig nutzt und gegenüber klimatischen Schwankungen sehr widerstandsfähig ist. Gewisse Teile des Weidelands dürfen nur während der Regenzeit, andere nur während der Trockenzeit vom Vieh beweidet werden. Die Borana ziehen also mit ihrem Vieh je nach Jahreszeit in unterschiedliche Gebiete. So können sich die Weide- und Wasserressourcen immer wieder ausreichend regenerieren und so stehen während der nächsten Weideperiode wieder genügend Futter und Wasser zur Verfügung stehen.

Foto: Raymond Rohner

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Ein weiteres Beispiel sind die Blumenpflücker-Gemeinschaften, die in der brasilianischen Savannenlandschaft, dem Cerrado, leben. Seit Generationen praktizieren diese Gemeinschaften in der Serra do Espinhaço ein komplexes landwirtschaftliches Produktionssystem, welches der Alpbewirtschaftung in der Schweiz ähnelt. In den tiefer gelegenen Gebieten der Serra, rund um ihre kleinen Gehöfte, betreiben die Menschen kleinbäuerliche Landwirtschaft. Sie kultivieren rund 80 lokal angepasste Sorten Gemüse, Mais, Getreide, Kassava und Zuckerrohr. Zudem sammeln sie in der Savanne Wildfrüchte und Heilpflanzen. Während der Trockenzeit ziehen die Blumenpflücker-Gemeinschaften in die höher gelegenen Gebiete der Serra, wo sie Wildblumen und Gräser sammeln. Diese werden dann kunsthandwerklich verarbeitet oder getrocknet und verkauft. Auch hier ist die saisonale Migration und die nachhaltige Bewirtschaftung entscheidend für die Regeneration des empfindlichen Ökosystems des Cerrado. Und dies ist wiederum für Brasilien zentral, weil der Cerrado als Wasserreservoir für einen grossen Teil der Bevölkerung des Landes dient.

Tradierte Lebensweisen gegen den Klimawandel

Die Lebensweise und das traditionelle Wissen der Borana in Äthiopien oder der Blumenpflücker in Brasilien, die um den Erhalt von wichtigen Ökosystemdienstleistungen wie der Bereitstellung von Nahrung und Wasser, der Regulation des lokalen Klimas und der Wasserqualität und um die Biodiversität besorgt sind, sind von grosser Bedeutung für die Bewältigung der Herausforderungen, denen wir uns wegen der Klima- und Umweltkrise stellen müssen. Intakte Ökosysteme können klimatische Schocks wie beispielsweise Starkniederschläge oder auch extreme Trockenheit mildern. Und eine grosse Arten- und Sortenvielfalt ist für die Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen enorm wichtig. Nur eine möglichst grosse Vielfalt garantiert auch in Zukunft Arten, die an trockenere, heissere Bedingungen angepasst sind und somit die Ernährung sicherzustellen vermögen.


Ein weiterer wichtiger Faktor im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung und kollektiv bewirtschafteten Territorien ist, dass über ein Viertel des weltweit in Boden oder Vegetation gespeicherten Kohlenstoffs in gemeinschaftlich bewirtschafteten Wald- und Savannengebieten liegt. Werden diese Gebiete umgenutzt, beispielsweise für die industrielle Landwirtschaft oder den Bergbau, entweicht dieser Kohlenstoff in die Atmosphäre und die Klimaerwärmung wird weiter vorangetrieben. Die Wichtigkeit der Erhaltung von Ökosystemen, die von lokalen und indigenen Gemeinschaften nachhaltig bewirtschaftet werden, wurde jüngst auch von zwei internationalen wissenschaftlichen Berichten bestätigt. Im Mai 2019 hat der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) erstmals einen Bericht zum globalen Zustand der Biodiversität veröffentlicht. Dieser weist darauf hin, dass Territorien, die durch lokale und indigene Gemeinschaften kollektiv bewirtschaftet werden, generell eine höhere Artenvielfalt aufweisen und diese weniger schnell abnimmt. Und darauf aufbauend besagt der Sonderbericht des Weltklimarates (IPCC) zu Klimawandel und Land vom August 2019, dass insbesondere Bewirtschaftungssysteme, die lokales und indigenes Wissen einbeziehen, in der Lage sind, multiple Herausforderungen, die sich aufgrund des Klimawandels und der Umweltdegradation ergeben, zu bewältigen. In diesem Sinne sind lokale und indigene Gemeinschaften Hüterinnen und Hüter von Ökosystemen, Biodiversität und CO2-Speichern, deren Erhalt für das künftige Leben auf unserem Planeten überlebenswichtig sind.

Wichtige Akteure

Weder die Borana im äthiopischen Tiefland noch die Blumenpflückerinnen im brasilianischen Cerrado besitzen ein formales Besitz- oder Nutzungsrecht für ihre kollektiv bewirtschafteten Territorien. Damit droht ständig die Gefahr, dass das Land kommerziellen Zwecken zum Opfer fällt, was die Klima- und Umweltkrise weiter ankurbelt.

Für HEKS ist deshalb der Kampf gegen die Klima- und Umweltkatastrophe unweigerlich auch ein Kampf um Land- und Nutzungsrechte für lokale und indigene Gemeinschaften.

Gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen unterstützt HEKS diese in ihrem Kampf um formale Nutzungsrechte und die Anerkennung der kollektiven Landnutzung als nachhaltige Bewirtschaftungsform, die einen wichtigen Beitrag für das Wohlergehen heutiger und künftiger Gene rationen leistet. Zudem setzt sich HEKS dafür ein, dass lokale und indigene Gemeinschaften als wichtige Akteure anerkannt werden, die mit ihrem immensen traditionellen Wissen Lösungen für die Bewältigung der Klima- und Umweltkrise zu bieten haben und in die Diskussion um diese Lösungen miteinbezogen werden.

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