Aus den Projekten
Nothilfe unter prekären Bedingungen

Wenige Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine startete HEKS seine humanitäre Hilfe. In den vergangenen drei Jahren hat HEKS mit seinen Projekten über 760 000 Menschen unterstützt. Der Bedarf an Hilfe ist bis heute gross und wächst weiter. Umso einschneidender wirken sich die drastischen Kürzungen der Finanzmittel durch USAID aus, von denen auch zwei HEKS-Projekte in der Ukraine betroffen sind.
Am 24. Februar 2022 begann Russland eine gross angelegte Invasion der Ukraine. Seither sind Hunderttausende Soldat:innen und Zehntausende Zivilist:innen ums Leben gekommen.
HEKS war bereits in der Ukraine tätig und konnte nur wenige Tage nach Kriegsausbruch mit der humanitären Hilfe starten. In den ersten Tagen stand die Verteilung von Lebensmitteln, warmen Mahlzeiten, Wasser, Decken, warmen Kleidern und Schlafsäcken im Vordergrund. Seither konnte HEKS über 56 000 Menschen mit Lebensmittelpaketen versorgen und 120 000 warme Mahlzeiten ausgeben. Zudem wurden in den vergangenen drei Jahren Menschen unterstützt, deren Häuser zerstört worden waren, die keine sichere Unterkunft oder keinen Zugang zu Trinkwasser mehr hatten.
Kalte Winter
Vor allem im Winter ist die Lebenssituation für viele Menschen unhaltbar. Die Temperaturen sinken auf bis zu minus 30 Grad. Menschen müssen bei diesen Temperaturen in beschädigten Häusern ausharren. Auch die Versorgung mit Brennstoffen und Strom stellt eine enorme Herausforderung dar, da der anhaltende Konflikt die Energieinfrastruktur des Landes stark beschädigt hat. HEKS unterstützte seit Kriegsbeginn 21 700 Menschen mit festen Brennstoffen für ihre Heizöfen und half 22 000 Haushalten bei der Reparatur ihrer beschädigten Häuser.
Im Rahmen dieses Projekts unterstützte HEKS im Frühjahr 2025 beispielsweise die 80-jährige Svitlana Vorona aus der Nähe von Charkiw. Ihr Haus war bombardiert worden – ihr geliebtes Zuhause, ihr Garten, ihre Nachbarschaft schienen für immer verloren. «Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass mir so etwas widerfährt. Plötzlich musste ich alles hinter mir lassen. Mein Haus war unbewohnbar», erzählt sie. Nach der Reparatur kehrt Svitlana mit einem Lächeln zurück. Dank HEKS wurden Dach und Fenster repariert, ihr Haus sieht fast wieder aus wie früher. Bei ihrer Rückkehr war Svitlana Vorona überglücklich: «Seit der Zerstörung lebte ich bei meiner Familie in Charkiw. Doch nun kann ich endlich zurückkehren. Ich hätte nie gedacht, dass dieser Tag kommen würde. Jetzt freue ich mich darauf, meinen Rosengarten wieder erblühen zu sehen», sagt sie mit leuchtenden Augen.
Obwohl sich die Lage für die Zivilbevölkerung vor allem in den schwer zugänglichen Regionen im Osten der Ukraine, in denen HEKS tätig ist, in den vergangenen Monaten nochmals zugespitzt hat, können die Reparaturarbeiten momentan nicht mehr durch HEKS-Mitarbeitende durchgeführt werden. Seit Ausbleiben der USAID-Gelder steht die gesamte Unterstützung für die betroffenen Menschen auf der Kippe. Doch dank der Unterstützung der Schweizer Glückskette und von HEKS-Spender:innen können die noch vorhandenen Materialien nun zumindest an lokale Behörden übergeben werden, die allerdings besonders häufig Ziel russischer Angriffe sind (Stand Ende April 2025).
«Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass mir so etwas widerfährt. Ich musste alles hinter mir lassen. Mein Haus war unbewohnbar.»
Kein Trinkwasser
Aufs Minimum reduziert werden musste ein Projekt, dass 8000 Menschen Zugang zu sauberem Wasser ermöglicht. In vielen der schwer zugänglichen Gebiete war die Wasserinfrastruktur bereits vor der Invasion veraltet und unzureichend. Durch den Krieg wurden Wasserreservoirs beschädigt, die fragile Infrastruktur wurde zerstört, so zum Beispiel im Juni letzten Jahres der Karlivka-Staudamm. Die Folge: Viele Ukrainer:innen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Bevölkerung ist darauf angewiesen, Trinkwasser zu kaufen – eine immense Belastung, da sich der Preis durch den Krieg verdreifacht hat.
HEKS unterstützte gemeinsam mit USAID unter anderen die Bewohner:innen der Gemeinde Oleksandrivka, wo die Wasserknappheit seit der Invasion grosse Probleme verursacht. Zudem machen Arbeitslosigkeit, Mangel an lebensnotwendigen Gütern und die angeschlagene Wirtschaft der Bevölkerung – fast ein Drittel der 6400 Einwohner:innen sind Binnenvertriebene – das Leben schwer. Um die Wasserkrise zu bewältigen, bohrten die Behörden neue, bis zu 80 Meter tiefe Brunnen. Das Wasser war jedoch nicht trinkbar. HEKS investierte deshalb in die Wasserinfrastruktur, baute Kläranlagen und installierte öffentlich zugängliche Wasserhähne.
Davon profitieren auch Oleksandr und Galyna Zavgorodniia, die trotz der Schwierigkeiten in Oleksandrivka geblieben sind. «Wir sind Rentner. Hier haben wir unser ganzes Leben verbracht», erklären sie. An einem von HEKS installierten Wasserhahn füllen sie ihre Behälter auf. «Wir kommen einmal in der Woche hierher, um Wasser zu holen. Vorher mussten wir Wasser in Flaschen im Laden kaufen», erklären sie. Jetzt ist das Wasser nur fünf Autominuten entfernt. Es sei wunderbar, wieder sauberes Wasser zu haben. Die Lebensqualität habe sich augenblicklich verbessert.
Momentan sucht HEKS neue Finanzierungsmöglichkeiten, um die essenzielle Versorgung mit Wasser auch in Zukunft gewährleisten zu können.
Öffentlich zugängliche Wasserhähne statt teures Wasser in Flaschen: ein wichtiger Schritt zu mehr Lebensqualität.
Öffentlich zugängliche Wasserhähne statt teures Wasser in Flaschen: ein wichtiger Schritt zu mehr Lebensqualität.
«Wir kommen einmal in der Woche hierher, um Wasser
zu holen. Vorher mussten wir Wasser in Flaschen im Laden kaufen.»
Etwas Positives erleben
Weiterhin vollumfänglich finanziert ist die von USAID unabhängige Unterstützung von Frauen, Mädchen und anderen Gruppen, die von partnerschaftlicher und sexueller Gewalt sowie Ausbeutung betroffen sind. In Kriegszeiten ist das Missbrauchsrisiko besonders hoch.
Das Schutzprogramm von HEKS verfolgt einen umfassenden Ansatz, der verschiedene Bereiche miteinander verknüpft: psychosoziale Unterstützung, Massnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt sowie die Schaffung sicherer Räume für Frauen und Mädchen. Seit 2022 hat HEKS fast 60 000 Frauen und Mädchen mit psychologischer und psychosozialer Unterstützung erreicht, Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt geboten und sie mit wichtigen Hilfsgütern wie Damenbinden, Shampoo, Seife und Powerbanks versorgt.
Einer der geschützten Orte befindet sich in einem Kollektivzentrum in Charkiw, wo HEKS regelmässig Aktivitäten organisiert. Frauen und Mädchen kommen hier zusammen – sei es für psychosoziale Ersthilfe oder für spezielle Unterstützungsangebote für Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt. Um einen Tisch versammelt lauschen die Frauen den Erklärungen der Mitarbeiterinnen, die über viel Erfahrung in der Arbeit mit besonders verletzlichen Menschen verfügen.
«Denken Sie an etwas Gutes, etwas Positives in Ihrem Leben. Schreiben oder zeichnen Sie es auf das Papier», sagt Olha Dorosheva, HEKS-Schutzbeauftragte, zu den Anwesenden. Heute haben sich zwölf Frauen eingefunden. Manche verfassen ganze Sätze, andere malen Herzen oder notieren einzelne Worte. Plötzlich rinnen Tränen über das Gesicht von Olga, einer der Teilnehmerinnen. Sie versucht, sie wegzuwischen, doch sie fliessen unaufhörlich. Das passiert oft während dieser Sitzungen – Emotionen brechen hervor, die lange unterdrückt wurden.
Text: Anette Torjusen / Bettina Filacanavo
Fotos: Håvard Hovdhaugen
Seit 2022 hat HEKS fast 60'000 Frauen und Mädchen mit psychologischer und psychosozialer Unterstützung erreicht.